Soziale Frauenberufe bald mit "FairCare"-Auszeichnung?
In Kooperation mit der KSH München, Campus Benediktbeuern, lud der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), Diözesanverband Augsburg, Expertinnen aus Pflege, Erziehung, Bildung, Politik und von Arbeitgeberseite zur Podiumsdiskussion über soziale Frauenberufe nach Benediktbeuern.
Mechthilde Lagleder, Diözesanvorsitzende des KDFB, entschuldigte zunächst die Spitzenkandidatin der SPD, Natascha Kohnen, die ihre Teilnahme an der Diskussion sehr kurzfristig aufgrund einer Abstimmung im Landtag absagen musste. In ihrer Begrüßung hoben sowohl Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Präsident der KSH München, als auch Mechthilde Lagleder die Bedeutung der Kooperation für dieses Thema hervor. „Wir schauen, wo es hakt, dort wollen wir helfen“, formuliert es Mechthilde Lagleder. Gemeinsame Vorbildfigur beider Einrichtungen ist Ellen Amman, Gründerin der Frauenbundes in Bayern sowie erste Leiterin der Sozialen Frauenschule, die heute zur Stiftungshochschule ausgebaut ist.
Gemeinsame Gründungsfigur Ellen Amman
Seit Amman Anfang des 20. Jahrhunderts die Notwendigkeit einer professionellen Krankenpflege und sozialen Arbeit proklamierte und in der neu gegründeten Schule Frauen professionalisierte, hat sich viel verändert. Kranken- und Altenpflege, Erziehung und soziale Arbeit entwickelten sich zu etablierten Ausbildungsberufen bzw. Studienfächern.
Soziale Frauenberufe heute
Doch über 100 Jahre später lässt sich für Frauen dieser Berufsgruppen kein positives Fazit ziehen. Unter der souveränen Moderation von Prof. Dr. Egon Endres, Altpräsident der KSH, wird schnell deutlich: Die Frauenquote in Care-Berufen beträgt über 80%, damit einher geht ein geringes Lohnniveau und schlechte Rahmenbedingungen – ein ungerechter Zusammenhang, der oft nicht wahrgenommen wird. Dr. Sigrid Meierhofer, Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, benennt dies klar: „Sorgeberufe sind klassische Frauenberufe und vermitteln ein tradiertes Rollenbild. Dies transportiert ein Image, das der anspruchsvollen Tätigkeit zum Beispiel in der Pflege überhaupt nicht entspricht:“ Ob Krankenschwester oder Erzieherin – die sehr gut ausgebildeten Frauen leben mit geringen Gehältern und wenig Anerkennung. Julia Seiderer-Nack, Professorin für Medizin in der Sozialen Arbeit an der KSH, sieht das Problem auch bei den Frauen selbst: „Unsere Studentinnen lassen sich schwer politisieren und sensibilisieren für Themen, die ihre berufliche Zukunft betreffen.“ Viel zu oft werden geringe Praktikums- und Einstiegsgehälter akzeptiert, die in der Erwerbsbiographie letzten Endes zur Altersarmut führen. Das Bewusstsein, mit dieser Arbeit einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, ist gering. Auf dieses Problem weist Martina Neubauer (Stadt- und Kreisrätin Starnberg) explizit hin: Nur wenn Gehälter angehoben werden, steigt auch die gesellschaftliche Wertschätzung. Hier ist ein Diskurs gefragt, der breiten Teilen der Öffentlichkeit bewusst macht, dass die sozialen Berufe Pfeiler und Stützen unserer Gesellschaft sind. Dies betont auch Gertrude Krug von ver.di: „Es braucht eine Diskussion darüber, was uns gute Pflege und Erziehung wert ist.“ Schließlich tragen die Fachkräfte eine enorme Verantwortung.
Überzeugung und Leidenschaft in sozialen Berufen
Gabriele Stark-Angermeier ist selbst Betroffene in zweierlei Hinsicht: Als studierende Mutter stand sie vor über 20 Jahren vor der Herausforderung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Mit Erfolg: Heute ist sie die erste Frau im Vorstand des Caritasverbandes München-Freising. Was hat sie bis hierher geführt: „Überzeugung und Leidenschaft – und die treibt mich auch weiter an“. Als Arbeitgeberin initiierte sie weitblickende Personalprogramme, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und setzte sich für die Einführung von angemessenen Praktikantenvergütungen ein. Ein nächstes Ziel ist die Erreichung von Pflegezeiten analog zu Elternzeiten. Denn: „Weibliche Erwerbsbiographien dürfen durch Pflegezeiten nicht so beeinträchtigt werden, dass die Rente nicht mehr zum Leben reicht“. Einig ist sie sich mit ihren Mitdiskutierenden darin, dass eine weitere Professionalisierung auch des Pflegebereiches viele positive Auswirkungen auf das Berufsfeld hat. So bewirkt diese Akademisierung eine finanzielle Aufwertung, die es Frauen ermöglicht, ihre Tätigkeit nicht als Zuverdienst, sondern als angemessen bezahlte, attraktive Beschäftigung und somit eigene Karriereweg zu sehen. Sie eröffnet auch eine größere Durchlässigkeit zu Führungspositionen. Dass Frauen im Erreichen dieser Ziele zu zurückhaltend sind, bestätigt das Podium. „Mentoring-Programme und unterstützende Maßnahmen von Arbeitgebern und Hochschulen können helfen, Frauen zu ermutigen, diesen Karriereschritt zu gehen.“, so Egon Endres.
Reicht das Gehalt zum Leben?
Wie sehen diese Aspekte die Betroffenen selbst? Annekathrin Papenfuss ist studierende Mutter im Fach Soziale Arbeit und nimmt viel mit aus dieser Diskussionsrunde: „Mein Ideal ist, dass mein Mann und ich die Erwerbsarbeit gleichberechtigt aufteilen. Aber das hängt viel vom Gehalt ab.“ Im Moment bezieht sie ein geringes Praktikantengehalt. BAföG nimmt sie bewusst nicht in Anspruch, da sie fürchtet, es mit einem geringen Gehalt nicht zurückzahlen zu können. Lieber nimmt sie noch einen Nebenjob an. Eine befreundete Sozialpädagogin arbeitet mittlerweile als Raumpflegerin, um ihr Gehalt aufzubessern. Laut Prof. Stollfrank ein Teufelskreis, denn die hohen Lebenshaltungskosten führend die Studierenden somit schon während des Studiums in prekäre Berufskarrieren.
Zukunftsweisende Perspektiven
Wie können diese Dynamiken aufgebrochen werden? Diese Frage gibt Prof. Endres abschließend an das Podium. Sigrid Meierhofer fordert: Frauen müssen kämpferischer werden! Und: Es braucht klare politische Rahmenbedingungen. Die Bereitschaft, in Ausbildung und Forschung, aber auch in personelle Ausstattung zu investieren. Gehälter neu zu verhandeln und gleichberechtigte Karrierechancen weiter fördern.
In der anschließenden Diskussionsrunde kommen weitere Aspekte der Pflegeberufe zu Sprache. So das Thema Robotik in der Pflege: Wie schafft man hier einen angemessenen Einsatz und welche ethische Fragestellungen gehen damit einher? Wie gelingt eine Eingliederung der vielen gut ausgebildeten Pflegekräfte, die nach Deutschland immigrieren und größtenteils zu Hilfsarbeiter Löhnen arbeiten?
Angesichts der demographischen Entwicklung in Deutschland ist das Thema „Soziale Berufe“ ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die KSH München sowie KDFB sind sich einig: „Wir wollen uns weiter stark machen für dieses Thema und Veränderungen erwirken.“ So wie eine Unterschriftenaktion des KDFB den zweiten und dritten Rentenpunkt für Mutter durchgesetzt hat, wird der Verband auch für die sozialen Berufe auf Bundesebene Anträge formulieren und so politisch aktiv werden.