Unterschiede mit ganzem Stolz leben
Elisabeth Böswald-Rid: Liebe Frau Fritz-Kramer, als Geschäftsführerin eines großen mittelständischen Unternehmens haben Sie schon früh Verantwortung übernommen. Mit gerade 33 Jahren übergab Ihnen Ihr Vater als Geschäftsführerin die Verantwortung für den Familienbetrieb. Wie empfanden Sie diesen Start in einer solch verantwortungsvollen Position?
Dagmar Fritz-Kramer: Natürlich war ich mir der Verantwortung, die ich mit dieser Position übernommen habe durchaus bewusst und natürlich hat mich das damals sehr beschäftigt. An mir hängt ja die Verntwortung für eine Vielzahl an Arbeitsplätzen und vor allem an den Menschen, die für mich arbeiten. Aber die Übergabe war lange und gut geplant. Wir haben uns entschieden, die Verantwortung über einen längeren Zeitraum Stück für Stück zu übergeben. So konnte ich da hineinwachen und mich an alles gewöhnen.
Parallel zu dieser anspruchsvollen beruflichen Lebensphase haben Sie auch Ihre Familie gegründet. Wie hat sich diese Erfahrung auf Ihr berufliches Engagement ausgewirkt? Welche Konsequenzen haben Sie daraus für die Entwicklung familienfreundlicher Arbeitsplätze entwickelt?
Mit der Familienplanung haben mein Mann und ich nicht gleich begonnen, sondern uns bewusst Zeit gelassen. Wir praktizieren bei Baufritz ein Führungsmodell mit Doppelspitze. Neben mir gibt es im geschäftlichen Alltag einen technischen Geschäftsführer. Ich kümmere mich um den kaufmännischen Bereich. Das hat mich entlastet, als ich in den Mutterschutz ging. Natürlich konnte ich mich nicht vollständig aus dem Geschäftsleben zurückziehen. Ohne meinen Mann, der sich bereit erklärt hat in Teilzeit zu arbeiten, wäre das alles nicht möglich. Wir waren schon immer sehr familienfreundlich. Aber natürlich musste das alles wachsen und sich entwickeln. Da war die Geburt meiner Kinder sicherlich mit entscheidend. 2005 haben wir zum Beispiel eine betriebseigene Kita gegründet. Und auch die Entwicklung familienfreundlicher und Lebensphasen-orientierter Arbeitszeitmodelle ist damals weiter ins Rollen gekommen. Heute sind wir ganz gut aufgestellt, glaube ich ;-)
Können Sie feststellen, dass Frauen leichter und früher wieder aus der Elternzeit zurückkehren bzw. eigene Karrierechance bewusster wahrnehmen, wenn von Seiten des Unternehmens dieser Weg unterstützt wird?
Ja, ganz klar. Bei uns haben sogar Mitarbeiterinnen in der Bereichsleiterebene das Eltern- und Teilzeitmodell in Anspruch genommen. Wenn die Unterstützung innerhalb der Abteilung gewährleistet ist, es eine Vertretung gibt und parallel der Bezug und Kontakt zur Firma gehalten wird, kann das sehr gut funktionieren. Die Möglichkeit mit unserer Kita ist insbesondere deshalb interessant, weil die Mütter (oder auch Väter) im Notfall ganz schnell beim Nachwuchs sind und es keine langen Wege gibt.
In Deutschland haben wir leider immer noch zu wenige Frauen in Führungspositionen. Zudem sehen wir jährlich am Equal Pay Day, dass die Lohnlücke zwischen Frauen und Männer annähernd gleich bleibt. Was können Ihrer Meinung nach Frauen tun, um aktiver die eigene Karriere im Blick zu haben?
An sich selbst glauben und Mut beweisen. Aber im Hinblick auf die Frauenquote in Führungspositionen und die Lohnlücke sind die Unternehmen gefragt.
Das Unternehmen Baufritz stellt ökologische Holzhäuser her. Ihr Vater war damit ein echter Pionier in Deutschland. Mittlerweile sind die Menschen deutlich sensibler geworden für die Anforderungen an ökologisches Bauen. Dies bedeutet für Sie kontinuierliche Weiterentwicklung. Was sind Ihre Visionen? Wie wird sich der ökologische Hausbau weiterentwickeln?
Wir beobachten seit mehreren Jahren einen klaren Trend in Sachen Ökologie, Nachhaltigkeit und einer gesunden Lebensweise an sich. Die Nachfrage bestimmt den Markt und so wird sich die Anzahl an Anbietern weiter erhöhen. Für die Verbraucher stellt das eine neue Herausforderung bei der Selektierung möglicher Anbieter dar; der Markt wird unübersichtlicher. Wir sehen uns als Dienstleister und werden weiterhin unsere Philosophie der kompromisslosen Ökologie und Wohngesundheit verfolgen. Dabei werden wir nicht stehen bleiben, sondern uns und unser Produkt stetig weiter entwickeln. In Zukunft wird sich die Fläche für Wohnraum weiter verknappen. Die Häuser werden kleiner und effizienter – auch in Sachen Raumintelligenz. Zudem wird uns das Thema der Mehrfamilien- und Mehrgenerationenhäuser intensiv beschäftigen.
Im Sinne der Bewahrung unserer Schöpfung ist Ihnen der ressourcenschonende Umgang mit Materialien und Energie im Bau ein Herzensanliegen. Wie können wir hier alle dazu beitragen?
Jeder, der mit dem Gedanke spielt, ein neues Haus zu bauen oder umzubauen sollte bei den verwendeten Baumaterialien nicht nur auf die Tauglichkeit in Sachen Energieeffizienz achten, sondern auch die Grauenergie beleuchten. Das ist die Energie, die für die Entstehung, den Transport und irgendwann die Entsorgung anfällt. Wir müssen anfangen, ganzheitlich und in Kreisläufen zu denken. Die verwendeten Baustoffe sollten nachwachsend und nicht endlich sein. Außerdem macht es natürlich Sinn, das Haus mit zukunftsweisender Haustechnik auszustatten und sich unabhängig von externen Versorgern zu machen, z.B. durch Solar- oder Photovoltaik-Anlagen, Speichern etc.
In Ihren Werkstätten sind viele Handwerker angestellt, bestimmt zum größten Teil männlich. Was können wir tun, dass sich auch für die klassischen Handwerksberufe mehr junge Frauen interessieren?
Mit 30% weiblichen Mitarbeiterinnen ist unsere Frauenquote für ein Bauunternehmen schon sehr hoch – auch im Bereich der CAD-Zeichner/-innen z.B. Was unser Produktion, also die Zimmerer, Schreiner, Monteure usw. angeht, da haben sie ganz recht. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Wir haben z.B. eine Schreinerin und seit ein paar Jahren immer wieder weibliche Auszubildende Zimmerinnen oder Klempnerinnen. Hier betreiben wir aber auch ganz intensive Aufklärungsarbeit im Azubi-Bereich, z.B. auf Messen oder in Schulen. Hier erfahren die jungen Menschen dann, dass der Zimmerer-Beruf von heute durch modernste Technik z.B. durch Hebehilfen erleichtert wird und daher tatsächlich auch für Frauen sehr interessant ist. Natürlich ist es hilfreich, wenn ein aufgeschlossenes Team an Mitarbeitern dahinter steht.
Ihre Verdienste als Unternehmerin haben Ihnen zahlreiche Ehrungen und Preise eingebracht. Viele Frauen sehen Sie als Vorbild. Was können Sie diesen Frauen, vor allem jungen Unternehmerinnen, mitgeben?
Ganz lieben Dank für die Lorbeeren :-) Aus meiner Sicht ist Unternehmertum immer verbunden mit Mut, Kreativität und vor allem einer guten Portion Glück. Wichtig ist aber sicher auch sich selbst treu zu bleiben und seinem Bauchgefühl zu vertrauen.
Wenn Sie einen Wunsch frei haben – was wünschen Sie sich für die Zukunft von Frauen in Deutschland?
... dass es der nächsten Generation von Frauen noch besser gelingt, die Unterschiede mit ganzem Stolz zu leben.